ERP-Systeme und Controlling: Eignung für die Kosten- und Ergebnissteuerung / alternative Tools
Von Jörg Carstens
Controlling aus Sicht von ERP-Anbietern
Wenn man den Webseiten der Anbieter von ERP-Systemen Glauben schenken darf, dann sind ihre Produkte allesamt „eierlegende Wollmilchsäue“. Gerade im Rechnungswesen halten diese Produkte nach meiner Einschätzung aber häufig nicht was sie versprechen. Vom Vertrieb über Kalkulation, Beschaffung, Produktion, Lagersteuerung und Serviceabwicklung bis hin zu Finanzbuchhaltung und Controlling beherrschen diese Systeme alle nur denkbaren Prozesse perfekt und voll integriert. Dies alles natürlich auf Basis der modernsten IT-Architektur und grafischer Oberflächen. Dabei wird häufig mit Modebegriffen wie digitaler Transformation, Industrie 4.0, Supply Chain-Abwicklung, Big Data, BI usw. nicht gegeizt.
ERP-Systeme und Controlling: nicht immer die perfekte Lösung
Wenn man mit Kunden spricht, die eine ERP-Einführung hinter sich haben, sieht die Beurteilung der eingesetzten Software und des erzielten Effektes für das eigene Unternehmen meistens differenzierter aus.
In meiner inzwischen über 30-jährigen beruflichen Laufbahn habe ich bisher mit ca. 15 verschiedenen Finanzbuchhaltungssystemen und ca. 10 verschiedenen Kostenrechnungs-, Controlling- bzw. BI-Systemen gearbeitet und weit mehr Systeme kennengelernt; vom Einplatzsystem mit Lexware über verschiedene reine Rechnungswesen- und integrierte ERP-Systeme unter Windows bzw. IBM i (ehemals AS/400) bis hin zu Microsoft Dynamics AX und SAP. Insofern traue ich mir die Beurteilung von Finanz- und Controlling-Systemen durchaus zu, was ich auch bereits durch die Hinzuziehung bei mehreren Auswahlverfahren bei Kunden unter Beweis gestellt habe.
Nahezu alle mir bekannten ERP-Systeme haben entweder den Fokus auf der Steuerung der Fertigungsprozesse oder der Warenwirtschaft. Als einzige Ausnahme ist mir die Software des weltweiten Marktführers für ERP-Software bekannt, die in den Anfängen nur aus Rechnungswesen-Modulen bestand. Viele dieser Systeme sind zu einem Zeitpunkt, als es noch wenig bis gar keine Standardsoftware am Markt gab, Modul für Modul beim Kunden entstanden. Diese Systeme sind dann nach und nach standardisiert worden und haben heute häufig mehrere grundlegende technologische Überarbeitungen hinter sich.
Buchhaltungs- und Kostenrechnungsmodule sind in aller Regel später hinzugekommen, „weil das ja zu einem integrierten ERP-System dazu gehört“.
Bei IBM war es z.B. oft so, dass Berater und Programmierer in den Niederlassungen diese sogenannten „Butter- und Brot-Anwendungen“ für ihre Kunden entwickelt und diese beim Kauf der damals noch sehr teuren Hardware entweder dazu geschenkt oder zumindest sehr günstig abgegeben haben. Später wurden diese Anwendungen auch an Partner verschenkt, die sie dann in ihre bestehende Software integriert haben. Aus dieser Zeit bekannt sind mir noch die „Kölner Buchhaltung“ und die „Ulmer Buchhaltung“, deren Weiterentwicklungen sich immer noch in einigen namhaften ERP-Systemen im IBM-Umfeld befinden, in Erinnerung.
Viele ERP-Anbieter haben auch heute noch die Lösungen von Rechnungswesen-Spezialisten in ihre ERP-Software eingebettet und verkaufen dies als integrierte Anwendung.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass die Finanz- und Kostenrechnungsmodule der meisten ERP-Systeme im Mittelstand insbesondere in den Bereichen Finanz- und Anlagenbuchhaltung sowie Kostenstellenrechnung ganz passabel, wenn auch häufig nicht perfekt sind.
ERP-Systeme: Im Controlling zeigen sich die Unterschiede
Mir hat vor ein paar Jahren ein Fashion-Kunde gesagt, dass man sich nicht für die ihrer Meinung nach beste Warenwirtschaft für Fashion-Unternehmen und auch nicht für das beste Rechnungswesen entschieden hat, sondern für die jeweils zweitbeste Lösung, da der Integrationsgedanke im Vordergrund stand. Das finde ich persönlich sehr schade, da man sich in keinem der Bereiche optimal aufgestellt hat. Die Folge war, dass man sehr viele Anpassungen vornehmen musste, was den Einführungsaufwand enorm in die Höhe getrieben hat. Und die Integration innerhalb dieser Software war eher suboptimal.
Auch wenn man dann um Schnittstellen nicht herumkommt, neige ich immer dazu, im jeweiligen Bereich keine Kompromisse einzugehen. M.E. sollte man das in aller Regel zumindest im Controlling tun, soweit man höhere Anforderungen hat, als eine reine Budgetplanung auf Kostenstellenebene durchzuführen.
In der Kostenträger- und Projektabrechnung trennt sich dann häufig die Spreu vom Weizen, eine Vertriebs-Deckungsbeitrags- und Ergebnisrechnung ist, wenn überhaupt häufig nur rudimentär vorhanden.
Oft ist hier auch die Anzahl der möglichen Merkmale wie Kunde, Artikel… nach denen Deckungsbeiträge ermittelt werden können zu gering und die Software ist bezüglich individueller Erweiterungen zu unflexibel.
Vorkalkulation und mitlaufende Nachkalkulation sind bei den Fertigungsmodulen eigentlich immer vorhanden, aber betriebswirtschaftliche Konzepte für eine differenzierte Ermittlung von Auftrags-Sollkosten oder des Produktionsbestandes fehlen häufig. Auch die Unterstützung für eine integrierte Unternehmensplanung und ein professionelles Reporting wie bei BI-Tools ist meistens nur ansatzweise vorhanden.
Bei den Spezialisten für Rechnungswesen-Software, die kein komplettes ERP-System im Portfolio haben, sieht es m.E. nicht viel besser aus. Hier sind zwar in aller Regel die Module Finanz- und Anlagenbuchhaltung sowie Kostenstellenrechnung besser als bei den integrierten Systemen, die anderen oben genannten Mängel treten hier aber auch auf. Nach meiner Einschätzung sind diese Anbieter alle stark im Finanzwesen, in den klassischen Controlling-Funktionen ist das Wissen aber häufig auch nicht sehr ausgeprägt.
Spezielle Controlling- und BI-Programme klar vorteilhaft
Spezielle Software für Planung, Analyse und Reporting bietet m.E. hier einen deutlichen Mehrwert gegenüber den Controlling-Modulen der Anbieter von ERP- bzw. Rechnungswesen-Software. Bei diesen Softwarelösungen ist man zwar gezwungen, mit Hilfe des jeweiligen Beraters ein individuelles Design der Controlling-Lösung sowie individuelle Imports aus dem ERP-System bzw. der Finanzbuchhaltung vorzunehmen. Allerdings erhält man dann auch eine maßgeschneiderte Lösung, bei der man auch individuelle Spezialitäten berücksichtigen kann. Mächtige Softwaretools für Design bzw. Import beschleunigen diesen Entwicklungsprozess.
Einen Sonderfall bei Software für Planung, Analyse und Reporting stellt in meinen Augen die Controlling-Suite macs complete von der macs Software GmbH in Zimmern ob Rottweil dar. Sie ist einerseits eine moderne Controlling-Software mit integrierten Funktionen vom Vertriebscontrolling über Gemeinkostencontrolling, Produkt- und Projektcontrolling bis zum Finanzcontrolling und der Möglichkeit, alle denkbaren Controlling-Philosophien abzubilden. Andererseits umfasst sie auch mächtige Import-, Analyse- und Auswertungsfunktionen, die man sonst nur von OLAP-Software kennt. Dabei ist sie rein relational und hierarchisch aufgebaut und bietet somit auch die Möglichkeit, bis auf Belegebene „herunterzudrillen“. Dabei sind Merkmale und Wertesysteme völlig individuell und flexibel in unbegrenzter Anzahl einstellbar. Vielleicht ist das mal ein Grund, sich etwas näher mit macs complete zu beschäftigen?
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